Über eine neuere Arbeit zu A.W. von Zuccalmaglio als Volksliedsammler. W. Sprang „Der Volksliedsammler Anton Wilhelm von Zuccalmaglio.“, Klartext Verlag Essen, 2016

 

Man könnte dieses Buch ein Geschenk für Waldbröl nennen, bemüht es sich doch um eine Klärung des Sammlerbildes. Der Autor empfiehlt Anton Wilhelm von Zuccalmaglio als einen Sammler (S. 340), der unverfälscht überlieferte. Nur gering seien hier und da seine Eingriffe in die Textgestalt. Nirgendwo aber vergreife er sich an der Melodie.  So schon am Anfang des Buches, das diese These  beweisen möchte.

Auffällt von Beginn an  der gelegentlich kämpferische Ton der ursprünglichen Dissertation, was vielleicht auf die zeitgenössischen Attacken gegen Anton Wilhelm als romantischen Fälscher zurück geht. Unter die „eingeschwärzten“, weil persönlich geänderten Lieder zählte man auch das bekannte Volkslied  „Kein schöner Land in dieser Zeit“, das für den Geburtsort des Sammlers eine besondere Bedeutung hat.. Die Kritik folgte weitgehend der Meinung des Musikwissenschaftlers Ludwig Erk (1807–1883)  mit seiner anderen  Auffassung des Volksliedes. Diese war vorwiegend aus der Arbeit an der  Rekonstruktion erster Fassungen des mittelalterlichen Nibelungenliedes entstanden. Erk ersetzt  dabei verständlicherweise die praktische „Nützlichkeit“ des stimmlich vorgetragenen Liedes durch die philologische und sammlerische „Bedeutung“ und Verfügbarkeit der Überlieferung. Erk, selber Sammler eines umfangreichen Liederhorts,. attackierte  auf diese Weise  Zuccalmaglio schon zu dessen Lebzeiten mit Änderungsvorwürfen und manche folgten ihm bis in die Gegenwart. Zuletzt die lange maßgebliche Arbeit von W.Wiora über die rheinisch-bergischen Weisen bei Zuccalmaglio und Brahms.(1953). Die Sorge um die Rettung einer alten musikalischen  Liedtradition habe  bei Zuccalmaglio im Vordergrund aller Bemühungen gestanden..

Die Untersuchung steht insgesamt in einer Perspektive, die sich dem Sammeln  und Überliefern in jeder Form als moderner medien- und kulturkundlicher Tätigkeit widmet. Der ältere der beiden Brüder Zuccalmaglio sei allen Anfechtungen zum Trotz der vielleicht größte aller deutschen Einzelsammler von Volksliedern mit der umfangreichsten Sammlung an Volksliedern überhaupt, heißt es anerkennend (S. 341)

Anton Wilhelm steht nach dieser Dissertation als „gewissenhafter“ Sammler da. Er habe einige der schönsten Volkslieder aus alter Zeit vor dem Vergessenwerden, in Anknüpfung an eine bis ins 18.Jh. reichende Volksliedsammeltradition gerettet. Er habe immer genau zwischen Eigenem und Gefundenem unterschieden und er habe bei mehreren Varianten stets die schönste ausgewählt. Das wird an einzelnen Liedern und ihrer Untersuchung deutlich gemacht. Darunter „Kein schöner Land“(293 ff.) dessen Text und Melodie nachweislich nicht von ihm seien, wie man lange glaubte. Mehr als die Überlieferung der gelungensten Form sei von ihm nie gewollt gewesen, so die These und das Ergebnis der Untersuchung. Er sei als Komponist und Melodienerfinder nie in Erscheinung getreten. Lediglich in die Textgestalt habe er hier und da edierend eingegriffen. („So scheitert Zuccalmaglios Edition an seinem naiven Umgang mit Texten vgl S. 173) . Dennoch habe er sich mit den Vorwürfen zu Lebzeiten bereits schwer getan. Die Tatsache, dass er die Texte samt Melodie publizierte, entspreche dennoch, heißt es,  der heutigen Methode der Edition im Umgang mit mündlichen Texten.

Hier stellt sich indes die Frage nach dieser modernen Methode, die unter Rückgriff auf moderne Medientheorien und Begriffe wie „Pfad“ und „Spur“ erfolgt Wenn von einer wissenschaftlichen Methode des Sammelns als heutiger Stufe und derzeit gültiger Metatheorie die Rede ist, wüsste man gern, welche Folgerungen sich daraus  für das moderne Sammeln in Museen   und jeder Form von  Umgang mit Objekten, Texten und Liedern als „Spuren“ des Vergangenen in Schulen und Museen  ergeben.   In diesem Versäumnis  liegt eine Schwäche des Buches..

Was in der Darstellung von der Absicht her zudem untergeht , ist verbunden mit der  Tatsache, dass Anton Wilhelm von Zuccalmaglio nie nur Sammler von Volksliedern war, wie der kleine Abschnitt unter Kapitel neun, betitelt „Biographie“ andeutet  und es vor allem die Biographie von Else Yeo den Lesern ausführlich zeigte.

 

>>