Waldbröl verliert seine Kreisfunktion (1932)

 

Der dauerhafte Erfolg der Verwaltungsstrukturen, die nach dem napoleonischen Zwischenspiel im Rheinland und in Westfalen entstanden, ist nur verständlich im Kontext der Anpassung an alle dazugehörigen historischen Entwicklungen[1]. Dass zu diesen Veränderungen die Bereitschaft und das Gezwungensein zu laufendem Umbau gehörten, bemerkt schnell, wer den 200 jährigen Erfolg feiert. Preußen war nach dem Sieg über Napoleon und dem Wiener Kongress mit dem ungeliebten Zugewinn der Provinzen am Rhein aus dem Rennen gegangen. Die  Kreisordnung vom Juli 1827 (nach Entstehen der Kreise 1816/17) galt für ca. 90 Kreise. Dies in einem Gebiet, das 200 Jahre später in den gewandelten Grenzen von Nordhein-Westfalen und nach einer Phase von mühsamen Gebietsreformen  nur mehr 30 Landkreise außer 22 kreisfreien Städten und der Stadtregion Aachen kannte. Mit der Entwicklung verbunden war, wie nachzulesen, eine laufende Zunahme der Aufgaben im Verbund mit gleichzeitig sich wandelnden Funktionen.

Dass aber Umgliederung und Neuordnung, Zusammenlegung und Verschlankung nicht nur Lebensfähigkeit, Funktionserweiterung und Kostenersparnis bedeuteten, sondern auch tiefgreifende Veränderungen  und Identitätsverschiebungen brachten, lässt sich 200 Jahre hindurch mühelos beobachten. Es gab immer Gewinner, Beinahe-Gewinner, Beinahe-Verlierer  und Verlierer. Dies nicht nur, indem kleinere Kreise aufgelöst wurden und größere daraus hervorgingen. Kaum jemals gab es diese Veränderungen ohne andauernden und z.T. heftigen  lokalen Widerstand, sofern man den Verlust von Funktionen glaubte befürchten zu müssen. Eine win-win Situation waren die Vorgänge selten. Die Geschichten des lokalen Wandels, die mit den Verlagerungen von Chancen  einhergingen, sind darum ebenso spannend wie die eines Wandels, welcher, von  den Paukenschlägen der Geschichte begleitet, von einer obrigkeitsorientierten Repräsentanz  und Verwaltung mit Unterbrechungen zu einer demokratischen Selbstverwaltung führte.

Dass Waldbröl vor beinahe 100 Jahren trotz heftigen Widerstands seine Funktion als Kreishauptort verlor und nach dem Krieg schrittweise fast aller Behörden verlustig ging, spiegelte sich nicht nur in baulichen Umnutzungen, in der Geschichte der Stadtwerdung  und allerlei Kompensationsvorgängen. Der am Südrand des Bergischen gelegene Ort  hatte trotz des lange fehlenden Titels als Stadt alle frühen Phasen der rheinisch-preußischen Kreisgeschichte bis zum Ende der Monarchie auf seine Weise mitgemacht  ebenso wie die besondere Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg. Was sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts zum Wohl der Bürger an Aufschwung bemerkbar machte, wurde in den Debatten, als es um den Erhalt der Kreisfunktion ging, gern diskutiert und vorgetragen. Das Wirken der zugewiesenen, oft von weither berufenen preußischen Landräte und Beamten hatte fast immer auch dynamisierende Effekte in der Kommunal- und Ortsentwicklung gehabt. Es schlägt sich bis heute in ehrenden Straßennamen und der Erinnerung an das Wirken einzelner Persönlichkeiten nieder. Dieses Kapitel war nun zu Ende und wurde erst nach den Kriegen durch das sich entwickelnde demokratische Selbstverständnis der neuen Gebietskörperschaften und einen effizienzorientierten Wandel auf anderer Ebene ersetzt. Als  wachsende Übernahme neuer Aufgaben und ein neues Verhältnis zwischen den Kreisen und ihren Kommunen ließen sich die Entwicklungen im Selbstverwaltungsgeschehen schon  ab der neuen Kreisordnung, die in den Rheinlanden ab 1887 galt, in Ansätzen  beobachten. Selbstverwaltung wurde im kommunalen Geschehen das neue Stichwort. Es bestimmte nach dem Ersten Weltkrieg deutlich  auch das Wirken des letzten der zehn Waldbröler Landräte Otto Eichhorn (1919–1932). Schon  bei seiner Berufung ins Amt und seiner Ernennung zum kommissarischen, dann amtierenden Landrat war der Wandel zu erkennen gewesen.

 

[1] Hilfreich darum  u.a. die Zusammenstellung im Katalog der derzeitigen landesweiten Wanderausstellung

 (Erststation  Schloss Homburg , Anfang 2016)