Zur Paul von Bettenhagen Plakette ( Eine Ansprache bei der  Einweihung März 2013)

Liebe Waldbröler, liebe Schmettereulen, liebe Schüler,

sehr geehrter Herr Bürgermeister, verehrte Kulturausschußmitglieder, Vertreter der Kirche , der Vereine und der Sponsoren, darunter auch der Bergische Geschichtsverein

 

Eine Schlagzeile in der tagesaktuellen Zeitschriftenpresse hieß : „Blackberry ist zurück“ . Ein Handyhersteller also, dem es eine Weile schlecht ging. Ich bin sicher ,dass trotz aller Aktualität das nicht manchen Waldbröler interessieren wird. Anders wenn ich jetzt sage : Paul von Bettenhagen ist zurück

Viele mögen heute hier sein, die das Hin und Her der verflossenen Jahrzehnte in Sachen J. W. Pauli noch in Erinnerung haben, sich wundern , dass das ,was lange ein Hin und Her war, nun zu einem Ende und gleichzeitigen Weiterleben führt.

Die einen möchten also aufatmen: „Endlich ! Darauf warten wir schon lange!“ Andere vielleicht kommentieren „ Das hatte uns gerade noch gefehlt!

Doch in dieser Sache gilt es festzuhalten: Der also nun Geehrte ist mit der Gedenkplakette nicht zurück auf die Weise von einst, wo es um den Aufrührer, den „Ondocht“, den Rebellen und Bürgerschreck ging, der 1813 die Akten der Einberufungsbehörden Napoleons aus dem Fenster warf und mit seinen Leidensgenossen , die nicht mehr Kanonenfutter für den inzwischen glücklosen Franzosenkaiser werden wollten, alle in Furcht und Schrecken versetzte, die in des fremden Kaisers Diensten standen. Also die Steuereinnehmer für Tabak und Salz, die die Notlage der Bevölkerung ausnutzten oder die Behörden, die sich jeden Stempel auf einem Dokument teuer bezahlen ließen und die das Volk drangsalierten,

das – dazu gehörten auch die Zuccalmaglios- zunächst die Errungenschaften des Franzosen und der französischen Revolution mit Zustimmung und Freude über das Ende der Feudalzeit begrüßt hatte.

Es ist aber auch nicht zurück als der früheste der Patrioten eines bald darauf ausbrechenden Freiheitskrieges, obwohl das alles in diesen Wochen und Monaten im Frühjahr 1813 sehr nahe beieinander liegt. Kein Schill, kein Andreas Hofer, kein kleiner Heerführer im Aufstand gegen Napoleon.

Eher schon als einer der unwilligen bergischen Jugendlichen, die in der Dämmerung einer untergehenden Epoche nicht recht wissen, wie sie sich den Nöten der Zeit und dem Erleiden der Zeit entziehen sollen und wie andere im Land , als der Aufruhr ausbricht, persönliches Handeln als aufmüpfiger „Speckrusse und Knüppelrusse“ vorziehen.

Dass der oberste Jurist des Landes, Christoph Sethe das was Pauli und anderen danach geschieht später als Justizmord hinstellen wird, gemessen an den seit kurzem eingetretenen Veränderungen in dem geplanten Modellstaat, rechtfertigt weder seinen Aufruhr noch den seiner Anhänger und Gleichgesinnten. Aber es zeigt ihn in einem anderen Licht. Denken sie daran , wenn sie den kurzen Text zu seinem Leben gleich lesen werden.

Und schauen Sie bitte hinüber zu der Porträtbüste Friedrich Wilhelms III., die ganz wie von ungefähr in der Nähe steht. Sie wurde 1863 50 Jahre danach an einem 17. März von den Waldbrölern aus Dankbarkeit eingeweiht. Aus Dankbarkeit für einen Zuschuss des Königs zur Renovierung der Kirche , aber im Gedenken auch an jenen 17.März. wo er mit einem „Aufruf an mein Volk“ das Volk zu den Waffen rief. „Der König rief und alle alle kamen“ stand einhundert Jahre danach,1913, auf einer vielbeachteten Münze , die an dieses Ereignis mit dem Text eines Liedes aus den Freiheitskriegen erinnerte.

Aber Paul von Bettenhagen konnte zu diesem Termin nicht mehr kommen. Er war tot. Er war gerade einen Monat vorher an der Kirche von einem militärischen Erschießungskommando als Aufrührer hingerichtet worden. Und die Waldbröler hatten ihn, man staune, wenn die Zeitangaben in den Quellen stimmen, zwei Stunden lang an der Kirche in seinem Blut liegen lassen.

Ob die Vorgänge von vor 200 Jahren, in den Märztagen des Jahres 1813, 50 Jahre danach noch allen präsent waren? Ich glaube kaum. Preußen und an seiner Spitze der König samt der standhaften Königin Luise hatten Jahre zuvor , nach Jena und Auerstedt und in Tilsit 1807 ihre schwärzesten Tage erlebt, – beinahe wäre Preußen schon damals von der Landkarte verschwunden – , aber mit der Völkerschlacht von Leipzig im Oktober 1813 auch seinen größten obzwar verlustreichen Triumph. Sehr nah lag alles in diesem Schicksalsjahr beieinander. Und das Ende der Fremdherrschaft , die Deutschland Freiheit, aber noch lange nicht die Einheit bringen sollte, schien nahe. Beides verdichtet sich in dieser Büste, in deren Nähe es nun diese Plakette geben wird. Dicht beieinander liegen, wie man sieht, alle Ereignissen des so turbulenten Jahres 1813 , zu denen auch die Erschießung des jungen Leinewebers gehört.

Sie alle hier aufzuführen ist nicht der Ort. Nur zur Erinnerung dies – und ich mische in diesem Abriß der Kürze halber die regionalen und nationalen Geschehnisse:

Wenige Monate zuvor, im September 1812 Einzug Napoleons in die russische Hauptstadt, Brand Moskaus, Rückzug der Truppen samt ihren bergischen Hilfstruppen in einem Winterfeldzug , der– die entscheidende Schlacht an der Beresina war Ende November – mit den größten Verlusten endet. Die Kunde von der Niederlage verbreitet sich schnell und erreicht auch bald den Rhein. Der eigenmächtige Schwenk York von Wartenburgs mit der Konvention von Tauroggen Ende Dezember 1812 leitet eine neue Allianz Preußens mit Russland ein. Aber Napoleon , der nach Paris entkommen ist, möchte das Spiel nicht verloren geben.

Schon am 22. Januar beginnt in Ronsdorf per Los die Aushebung neuer Soldaten für eine neue Armee und der erste Protest der Konskribierten. Die Aushebungskommission reist im Land umher.

Am 24.. Januar folgt die Aushebung in Waldbröl , um dieselbe Zeit das gleiche an anderen Orten des Bergischen .

Am 2. Februar wird Pauli mit seinen Gefolgsleuten von Rebellen nahe Siegen gefangen. Der Bergische Aufstand , der in diesem Monat überall im Land ausbricht, wird jedoch schnell wegen mangelnder Koordination und Zielsetzung niedergeschlagen. Fatal und tödlich für den Waldbröler Pauli, dass man im fernen Paris dies irrtümlich für den Beginn einer landesweiten Erhebung nimmt, die erst kurz darauf auf andere Art einsetzt. Es folgt, obwohl der Aufstand schnell zu Ende ist, harte Repression. Erschießungen folgen in Solingen , Elberfeld , Düsseldorf. Es folgt für Pauli der Prozess in Dillenburg , dem Hauptort des hiesigen Departements und auch seine Erschießung am 15. Februar, seiner Zeit vor genau einem Monat.

Von 7000 bergischen Teilnehmern finden am 1. März nur mehr 150 Überlebende nach Düsseldorf zurück. Darunter ein Onkel Anton Wilhelms von Zuccalmaglio.

Am 10.3., dem Geburtstag der inzwischen verstorbenen Königin Luise , stiftet der König das Eiserne Kreuz, erstmals einen Orden für alle Soldaten gleich ob Adel oder einfacher Soldat.

Am 16.März erklärt er Napoleon den Krieg, nachdem er inzwischen die Russen an seiner Seite hat. Auf die Russen und ihren Kaiser Alexander beriefen sich hoffnungsvoll auch die bergischen Aufständischen, indem sie sich „Knüppelrussen“ oder Speckrussen nannten.

Städte sind immer auch Erinnerungsorte. Sei es durch ihre Archive, ihre Bauten, ihre Straßenbezeichnungen , ihre Plätze, ihre Bücher und Gedenksteine . Gerade hier an der Kirche mit ihrem Turm aus dem Mittelalter, ihren Grabsteinen, ihrer Büste und nun ihrer Plakette wird man das deutlich empfinden.

Als der Bürgermeister im vergangenen Oktober eine Ausstellung der Gesamtschule zu den Waldbröler Straßennamen eröffnete, war darunter auch ein leeres Straßenschild, das mit der Anregung verbunden war, das Anliegen der vergangenen Debatten und der Romane rund um Paul von Bettenhagen und von Teilen des Stadtrats aus den 70-90 er Jahren noch einmal aufzugreifen. Damals gab es bereits schon eine neue Initiative im Kulturausschuß , die in die gleiche Richtung ging.

Bald kam der Ausschuss zu einen anderen Votum, dessen Ergebnis sie nun hier vor sich sehen. Ermöglicht auch dank der genannten Sponsoren

Die im Anschluss an die Recherchen und Diskussionen von Jahrzehnten, dank der Bemühung um weitere Quellen, dank auch der Auseinandersetzung mit den erwähnten Romanen Everwyns entstandene Neubewertung der geschichtlichen Ereignisse hat darin ihren Niederschlag gefunden. Waldbröl ist auch dank des Schriftstellers Everwyn um einen Gedenkort reicher .

Denkt man an die geradezu historische Ferne , die die Gegenwart von diesen Ereignissen trennt, darf man schließen: Waldbröl hat sich dieses Gedenken an Pauli und den bergischen Aufstand ehrlich und sehr mühsam über Jahrzehnte verdient. Und allen gilt Dank, die daran auf die eine und andere Art mitgewirkt haben.