Musik als Erbteil 

 Gestorben ist Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio, wie der volle Name des ältesten Sohnes lautete, im Jahr 1869 während eines Besuchs nahe dem märkischen Altena, das über die Sauerlandlinie in 80 km  Entfernung heute schnell zu erreichen  ist. Dort hatte er im Nachbarort Nachrodt, wo er damals zu Besuch weilte, in den Jahren zuvor eine Weile als Erzieher und Hauslehrer gearbeitet und war ein guter Freund der Familie geworden.

Sein Grabmal steht nach einer Verlegung vom vorigen, inzwischen überbauten Friedhof nun im Innenhof der hochgelegenen Burg Altena, nahe dem Eingang zu der Welt erster Jugendherberge, heute Museum. Die alte Drahtzieherstadt im Lennetal stellt damit auch für Waldbröler ein lohnendes Ausflugsziel dar, nicht nur des Burgmuseums, des deutschen Drahtmuseums  und der sonstigen  Attraktionen wegen.

Geboren war er am 12. April des Jahres 1803  in dem noch heute vorhandenen Haus an der Hochstraße in Waldbröl,  wo seit drei Jahren und nach der Geburt nur noch wenige Monate die frisch verheirateten Eltern lebten. Sie zogen bald darauf für ein Jahr nach Opladen und dann nach Schlebusch, wo der Vater als Notar, als letzter maire unter  Napoleon und  später (ab 1814) für die Preußen als erster preußischer Bürgermeister tätig war.

 

Wer war dieser Jakob Salentin? Mit ihm und seinem Einfluss auf den Sohn in Sachen Musik beschäftigt sich die vorliegende Spurensuche. Jakob Salentin arbeitete in Waldbröl  als Rechtsberater des bergischen Amtes Windeck. Es  war dies seine erste Berufsstelle nach dem Studium. Die Liebe beider Eltern zur Musik sprang auf den Erstling – so möchte man vermuten –  schon in den Windeln über, denn Jakob Salentin liebte Gesang  und die praktische Musikausübung nicht weniger als die Mutter, über deren frühe Anregungen der Sohn sich gerne äußerte.

 

.Von Jacob Salentin ist aus den Anfängen der Waldbröler Zeit zu Beginn des Jahrhunderts  u.a. ein Eintrag in das Poesiealbum einer befreundeten Waldbrölerin, einer Frau  Förster, erhalten. Sie verrät uns beiläufig einiges über die Herkunft der Musikliebe in rheinischen Bürgerfamilien des 19. Jahrhunderts. An vorliegender Stelle heißt es, Bezug nehmend  auf  eine beigefügte Zeichnung mit dem Gerippe des Sensenmanns vor dem Tor einer ungenannten  Stadt in besinnlicher Sprache  und zur Lebensfreude aufrufend:

 

„Es ist wirklich eine närrisches Ding um das menschliche Leben- überall Jammer und Elend, wohin das Auge reicht- -Fast sollte man glauben, der Mensch sei zur eigenen Qual geschaffen“

 Die  Lehre des Sensenmanns  aber finde sich, fährt er fort, in dem anschließenden bekannten Liedchen, das er mit  zwei Strophen anfügt

„Freut euch des Lebens, Weil noch das Lämpchen glüht. Pflücket die Rosen, eh sie verblüht..

Ihr schafft so gern euch Sorg und Müh, sucht Dornen auf und findet sie, Und lasst das Veilchen unbemerkt, das auch am Wege blüht. Freut Euch des Lebens

 usw“

 

Italienisches Erbteil ? fragt sich der Leser.  Altes Carpe diem?

 

 Drum, meint Jacob Salentin, indem er das alte Carpe diem (Nutze den Tag)-  Motiv der Barockdichter aufnimmt und weiter ausformt, lasst uns diesen Lehren folgen und stets munter und fröhlich sein. Weder Kummer soll sich bei uns nähren, noch Unmuth und Gram bei uns nisten. Weg mit ängstlich bangem Sehnen/ Weg mit Kummer, Wehmut, Tränen / diese härmen uns nur ab, bringen uns zum frühen Grab./ Freude Freude uns erfreuen“ .

 

Es folgt alsdann eine religiöse Absicherung, wenn er fortfährt: Dies sei  des „ Allvaters Erstgebot“ , Unschuldsfreude wird nie gereuen,  sie flicht Blumenkränze bis zum Tod usw. Und mit beinahe epikureischer  Maxime heißt es sodann freude- und freundschaftstrunken :

 

 „ Unser Leben sei genießen: Unter Schertzen, Träumen, Küssen, Naht auch unverwandt das Ziel, denn der Tage sind nicht viel. / Jede Klage soll verstummen/Trübsinn hülle sich in finstre Nacht, Leiden sollen nicht mehr summen/ Und kein Tag sei unfroh zugebracht/ Andre mögen krumm dasitzen, der Natur entgegenschwitzen. („Das könnte gegen puritanisch-pietistische Tendenzen in Preußen  gerichtet sein)  . „Aber Freude Freude soll allein Stäte Freude unsre Losung sein./ Traulich-seeliges Entzücken, gewährt traute Freundschaft dir und mir, auch in trüben Augenblicken, Verdanken ja wir Wonne ihr,/  Drum so laß uns Freunde bleiben , bis wir einst von hinnen scheiden ,Freundschaft trocknet Thränen ab, Träufelt Freude noch ins Grab 

 

Waldbröl, den 17 Dez. 1800 J.S. Zuccalmaglio und darunter Abkürzungen (wahrscheinlich auf das damals bekleidete Amt bezogen).

 

 Die übrigen wesentlich kürzeren in schlecht lesbarer Kopie vorhandenen  Eintragungen des Albums  stammen von Freundinnen und einigen Freunden der Besitzerin aus den Jahren 1798-1800, die meisten wohnhaft in Cöln , Waldbröl und Ründeroth. Alle beteuern im Stil der  romantischen Poesiebücher der Zeit, mit Symbolen verbunden, das Unersetzliche und Ewige der Freundschaft. Eine einzige Eintragung der Mariana Joesten aus der Familie des ersten Waldbröler Landrats , dies auf der nachträglich nummerierten letzten Seite 237,  verweist überraschend in das späte Jahr 1818. 

 

Wenig  überrascht nach alledem, dass auch Anton Wilhelm in späteren Jahren ein munteres Lied gegen die Sorgen verfasste und selbst – so könnte man denken - kraft des Erbteils seiner beiden Eltern ein humorvoller Mensch. wurde.

 

  „Er ist stets guter Dinge charakterisiert ihn 1868 seine Schwägerin Gertrud ....dabei hat er einen unverwüstlichen Humor, was ihn angenehm macht“.

 Dass die auf dem bergischen Stammschloß Burg aufgewachsene Mutter ihm früh allerlei Volksliedchen vorträllerte und der Vater seine Freizeit der Musik und der Gründung von musikalischen Vereinigungen widmete, dabei seine Jugend früh musikalisch einspannte, hatte ähnlich großen  Einfluss auf beide Söhne. Für den älteren Anton Wilhelm wurde er prägend.

Für den Vater verlief der weitere Lebenswege nicht in allen Teilen so angenehm, wie es die Verse  vermuten lassen. In späteren Jahren in Schlebusch verließ er seine Familie, als die Frau nicht aus der Nähe ihres Bruders wegziehen wollte und wirkte eine Weile als Notar in Krefeld und Barmen. Die letzten Jahre verbrachte er in Barmen, wo er einsam starb.