Der Beginn der Flammschen Zeitung (Jg. 1859)

 

Sie nannte sich „Waldbröler Intelligenzblatt“, meinte mit dem Titel die wachsende Teilnahme am Geschehen aller Art hier und da in der Landbevölkerung, zugleich die Fülle der gebotenen Nachrichten,  erschien einmal wöchentlich auf 4 Seiten und befriedigte bereits völlig, wie der Verleger am Ende des ersten Jahres meinte,  die Leselust vieler  Leser in dem kleinen preußischen Landkreis. Es war zweifellos ein Fortschritt im ländlichen Informationsgeschehen[1], das in jenen Tagen noch ein anderes war. Bereits der Vorgänger von Landrat Maurer, nämlich Oscar Danzier hatte sich während des kurzen Gastspiels als kommissarischer Landrat vom 1848 bis 1852  ein Presseorgan für Waldbröl ausgedacht, eines das unabhängig sein sollte von den Initiativen in der Nachbarkreisstadt, wo F. Luyken bereits 1837 mit einem „Aggerblatt“ und 1849 mit einem „Gummersbacher und Waldbröler Intelligenzblatt“ gestartet war, das auch den Waldbrölern schmackhaft gemacht werden sollte. Nannte sich doch schon das erstere im Untertitel „Anzeiger für die Kreise Gummersbach, Wipperfürth und Waldbröl“, So die Idee der der Inhalt kaum entsprach  Druckort sollte Gummersbach sein. Aber Danzier war über  diese  Abhängigkeit nicht eben erfreut..

 Er selbst ging 1852 als Landrat nach Mülheim/Rhein, wo heute noch eine Straße an ihn erinnert. Die Zeitung des Druckers Rosenkranz, die  das Vakuum füllte, verschwand  nach wenigen Jahren ebenfalls wieder von der Bildfläche, denn der Drucker ging ebenfalls nach Mülheim, nachdem er seine Zeitung zunächst als Konkurrenzblatt parallel zu seinem Nachfolger betrieben hatte.

Denn als Maurer Landrat wurde, stand für ihn die Notwendigkeit scheinbar außer Frage,  ein eigenes ihm genehmes Blatt zu etablieren. Zumal der Ort auf vielen Gebieten „kräftig aufgeblüht“ war, wie es in einem Huldigungsgedicht hieß,  und mit dem Entstehen des Viehmarkts, der Ackerbauschule in Denklingen und der neuen Straßenverbindung durch die Westert  die Miseren der ersten Hälfte des Jahrhunderts überwunden schienen. Zwar gab es noch keine Brölstraße an den Rhein, kein Brölbähnchen, keine höhere Privatschule, nicht die vielen Schulen auf den Höfen ringsum,- alles das sollte erst noch werden. Aber ein Kreis- und Intelligenzblatt musste her. So griff  der Landrat zu, als sich am Ende des Jahrzehnts ein gerade in Köln fertig ausgebildeter Drucker aus Olpe meldete, der den Waldbrölern eine bescheidene Zeitung zu drucken versprach.

Der erste Jahrgang dieses Blattes ist erhalten und wenn man einen Blick hineinwirft, ist man überrascht über die Vielfalt des auf so knappem Raum Gebotenen. Verständlicherweise  gehörte die erste Seite den trockenen Bekanntmachungen des Landrats, die letzte den noch zögerlichen  Anzeigenkunden für ein ländliches Allerlei, aber dazwischen war viel Platz für Nachrichten vom Tage, bunte Vorkommnisse  aus den Städten der Welt, ein wenig Unterhaltung mit Gedichten, Anekdoten, Ratschlägen, Nützliches für die Landbevölkerung und manches, das noch heute erstaunen mag. Selbst dann, wenn man eingestehen muss, dass der Drucker beim Punkt Lokales das meiste  schuldig bleibt und er (aus obrigkeitlicher Befangenheit von damals?)  nur wenig Aktuelles zu bieten hat. Dazu zählt etwa der Bericht über ein Fest der Bergwerksgesellschaft in Wildberg, als der österreichisch-französische Krieg in Italien zu Ende ist. Vor einem neuen Krieg mit den siegreichen Franzosen scheint man dennoch Angst zu haben. Nur hin und wider  begegnen dem Leser von heute Informationen, die  über die  Zustände von vor 150 Jahren Auskunft geben oder  Themen der Gegenwart für den Leser von heute mitbedienen.. Etwa wenn der Landrat in einer Anweisung Vogelarten aufführt, denen schon damals die Sorge der Vogelschützer galt und man erstaunt die Namen heute verschwundener Sänger findet.

 Der Mangel an Raum, heißt es in einer Darstellung des Programms für das Folgejahr entschuldigend, habe manchen Vorhaben im Weg gestanden. Man sei dennoch mit dem Echo zufrieden, habe allerhand Verbesserungen bei der Zustellung im Sinn   und habe es sich zur „Aufgabe gesetzt“, im kommenden Jahr “ außer einer  unterhaltenden und belehrenden Lektüre, gemeinnützigen Mitteilungen über Landwirtschaft etc….eine fortlaufende Übersicht der politischen Ereignisse zu geben“, die eine Lektüre einer großen politischen Zeitung geradezu überflüssig machen. Leser, die mehr und anderes erwarten, werden auf ein weiteres unterhaltendes  Blatt im eigenen Verlag, genannt „Der Erzähler“ verwiesen. Großen Raum nehmen die Nachrichten von den Kriegsschauplätzen ein, der französische Nachbar als Erbfeind muss sich manch kritische  Äußerung, auch in Gedichtform,  gefallen lassen und es wird deutlich, dass man sich in einer aufregenden Zeit befindet, die auch manche technische Veränderung bringen wird. „Sonst und Jetzt“  heißt eine interessante Gegenüberstellung alter und neuer Errungenschaften in Alltag, Wissenschaft und Technik. Der Positivismus des Jahrhunderts schlägt darin bis in die ländliche Presse durch.  Auf Neuerungen  hierzulande verweisen eine Ankündigung (1859!) des seit einigen Jahren am Ort tätigen Pfarrers und Schulpflegers Hollenberg, eine höheren Bürgerschule errichten zu wollen, die dann auch zwei Jahre später ins Leben gerufen wird oder der Hinweis auf nun mögliche Busverbindungen zur Cöln-Giessener Eisenbahn, die durch das Siegtal führte und eine schnellere Verbindung zu den benachbarten Großstädten möglich machte. Nicht nur wird des 100 Jahre zuvor geborenen schwäbischen National- und Freiheitsdichters Schiller gedacht, auch eine erste Lebensdarstellung des Volksliedsammlers  Anton Wilhelm von Zuccalmaglio findet sich in einem der Blätter. Ein langes, später viel zitiertes Gedicht über die erfreuliche Entwicklung des Ortes in jenen Jahren der zweiten Jahrhunderthälfte findet sich ebenfalls auf den Seiten und bezeugt die Hoffnungen und die Modernität des Aufbruchs.

 

[1] E. Hundhausen hat 1977 in seinem Bildband „Anno Tubak“ einiges zu den lokalen Anfängen des Zeitungswesens zusammengetragen, auch was den Vorgänger der Flammschen Zeitung und seinen Start in Waldbröl angeht.  Dort findet sich auf Seite 29 u.a ein Abdruck der Konzession für den Drucker  J.W. Flamm von 1857 und die Korrektur der bis zum Ende beibehaltenen falschen Zählung von 90 Jahren Waldbröler Zeitung, die de facto 75 Jahre existierte. Von 90 Jahren spricht heute (2015) immer noch die Internetwerbung des Druckhauses Gummersbach, indem sie  sich auf eine Gründung  1845, wie lange auf der Zeitung selbst zu lesen,  bezieht, Zeugnis für einen langlebigen Irrtum.