Verbindungen Köln-Mülheim –Waldbröl im 19.Jh

 

Dass es im 19.Jh engere Beziehungen zwischen der am Rhein gelegenen Stadt Mülheim und Waldbröl gegeben hat, deutet eine Bemerkung von O. Budde in seinem Waldbrölbuch an[i]. Es betrifft dies zunächst die Verwaltungsgeschichte, sofern beide Kreise nach 1815 ungefähr gleichzeitig als preußische Landkreise entstanden. Ob sie außer in den Verbindungen einzelner Persönlichkeiten auf der Verwaltungsebene auch in der sonstigen Bevölkerung vorhanden waren, bedarf einer gesonderten Recherche.

Gehen wir dem als Frage nach, fällt der Blick auf die intensiven Beziehungen einiger Familien im 19.Jh. Nicht nur übernahm 1848 ein junger Assessor nach dem Ausscheiden seines Vorgängers für einige Jahre das Amt des Landrats in Waldbröl und wurde anschließend 10 Jahre lang Landrat in Mülheim. Er behielt auch in seinem neuen Amt lebenslang einen Kontakt zu seinem vorherigen Wirkungsort[ii]. Im letzten Amtsjahr vor Ort und ersten Jahr in Mülheim erwarb er vom preußischen Staat die auf Waldbröler Kreisgebiet liegende Ruine der Burg Windeck. Er baute sich in den letzten Jahren seines Mülheimer Berufslebens(1859/60) auf dem dazugehörigen Gelände ein größeres Wohnhaus, wo er, da eine Tochter nach ihrer Heirat und vorübergehendem Aufenthalt in Sizilien mit ihrem Ehemann ebenfalls dort lebte, nach Ausscheiden aus dem Staatsdienst (ab 1862) sein Privatleben verbrachte. Das von der Bevölkerung so genannte Schloss Windeck neben der alten Ruine verschwand erst im folgenden Jahrhundert im Zusammenhang mit Kriegseinwirkungen aus dem Blick.

Als die Ruine samt umgebendem Gelände nach dem Krieg an den Siegkreis verkauft wurde, war durch die Verwaltungsneuordnung von 1932 der Kreis Waldbröl inzwischen, wie schon früher Mülheim als Stadt (im Jahr 1914) anders zugeordnet bzw. als Verwaltungseinheit aufgelöst worden. Die Gemeinde Dattenfeld, zu der das Anwesen nach wie vor gehörte, wurde eine Gemeinde des Siegkreises.

Der Name Danzier ziert dennoch nicht nur eine Straße in Waldbröl, auch in Köln-Mülheim erinnert eine Straßenbezeichnung weiterhin an den einstigen Landrat. Dies noch zu einer Zeit, als die alte bergische Stadt auf der rechten Rheinseite gegen den erklärten Willen der Bevölkerung (1914) zum Stadtteil von Köln wurde und ihre Selbständigkeit verlor. Der neue Kölner Erzbischof trat 1956 auf diese Weise, obwohl im einst bergisch-protestantischen Mülheim geboren, als Kölner ins Leben. Während der restliche Landkreis Mülheim zunächst wie Wipperfürth bis 1932 zum Bergischen Kreis geriet, später Rheinisch-Bergischen Kreis, verbanden sich die Kreise Waldbröl und Gummersbach im selben Jahr zum Oberbergischen Kreis.

Der Nachfolger Oscar Danziers Karl Maurer wirkte in Waldbröl 26 Jahre (1852 -1878), also wesentlich länger als sein Vorgänger. Er setzte dabei tatkräftig jenen Aufbruch fort, der die erste Hälfte des 19.Jh beschloss und den Ort aus dem Tal der Tränen herausführte, wie schon Budde ausführlich nachzeichnete. Der Vorgänger im Amt ist aber trotz seiner nur kurzen Verwaltungstätigkeit vor Ort ebenfalls in bester Erinnerung geblieben, verbinden sich doch einige in die Zukunft weisende Entwicklungen mit seinem Namen. Dass er einen Kölner Drucker, Anton Wilhelm Rosenkranz (bzw. mit Vornamen Werner Anton laut Budde II S. 69), dafür gewann, für Waldbröl zwischen 1848 und 1858 in Waldbröl und vorübergehend von Mülheim aus, eine erste Kreiszeitung zu drucken, welche der Vorläufer des späteren „Waldbröler Kreis- und Intelligenzblatts“ (bis 1891) und der „Waldbröler Zeitung“ (bis 1934) , beide aus dem Hause Flamm, wurde, markiert nur eine dieser Entwicklungen[iii]. Ebenso langfristig wirkte sich sein Einsatz für die Verbesserung der Infrastruktur mit dem Bau der durch Kreisgebiet laufenden Wiehlmünden- Rother Chaussee nach Waldbröl aus, die nach dem Hungerjahr 1847/48 den Menschen Arbeit und Brot bringen sollte. Die für die Bevölkerung noch wichtigere Brölstraße konnte ebenso wie die Bahnverbindung nach Hennef aber erst sein Nachfolger bauen lassen. Auch die Einrichtung des über die folgenden Jahrzehnte beständigen Viehmarkts 1851 in der Amtszeit von Danzier brachte einen Aufschwung des Handels in der Region, der sich für den lange landwirtschaftlich geprägten Süden des Bergischen, inzwischen zu einem der ersten Märkte im Rechtsrheinischen geworden, bis heute auszahlt.

Die Entstehung einer Ackerbauschule im Kreis (Denklingen 1852–1874), deren erster Kurator er war[iv], und die Einrichtung einer ersten Kreissparkasse als Kapitalquelle am gleichen Ort verbindet sich ebenfalls mit seinem Namen. Dass beide Sparkassen, die 1848 entstandene Denklinger, fortgeführt ab 1856 als Waldbröler Kreissparkasse, und die Mülheimer Kreissparkasse ihren Rang mit den Verwaltungsreformen an andere Gewährsträger abtraten, unterstreicht nicht nur die Ähnlichkeit der Entwicklungen, sondern auch die Weitsicht und das Engagement des jungen Landrats.

Dass es bereits zu Beginn des Jahrhunderts Beziehungen zwischen hierzulande tätigen Beamten und ihren Familien gab, die an den Rhein verweisen, wird am Beispiel des ersten Landrats nach der Napoleonischen Ära, Heinrich Joseph Joesten und dem Windecker Rechtsberater Salentin von Zuccalmaglio deutlich. Zuccalmaglio war nach seinem Weggang 1803 nach Opladen und später Schlebusch gezogen, von wo aus u.a. der ältere seiner Söhne Anton Wilhelm die Schule in Mülheim in der Nähe der Großeltern besuchte. Beide Juristen kannten sich seit ihrer Jugend. Familiäre Beziehungen dürften darum bei Wahl der weiteren Laufbahn eine Rolle gespielt haben.

Joesten, aus der Nähe von Much gebürtig und später dort beerdigt, wurde nach Studium in Köln 1815, nachdem er zuerst wie sein Vater Paschalis Joesten Richter in Windeck und während der napoleonischen Zeit (ab 1809) daselbst Friedensrichter war, erster Landrat in Waldbröl. Sein ältester Sohn Goswin, bekannt mit dem jüngeren Anton W. von Zuccalmaglio aus gemeinsamer Schulzeit in Mülheim, wohnte nach dem Wegzug der Zuccalmaglios von Waldbröl weiter als Steuereinnehmer in Waldbröl und traf Anton Wilhelm dort bei dessen einzigen überlieferten späteren Besuch in seinem Geburtsort. Als Joesten sen. 1829 in Much starb, verfasste Anton Wilhelm ein Preisgedicht auf den Freund der Familie.

Dass A.W. von Zuccalmaglio, während er zur Schule ging, Teile seiner Kindheit bei den Großeltern in Mülheim verbrachte, berichtet Else Yeo in ihrem bergischen Liederbuch vom „Fuhrmann Dures“ und sie stellt in ihrer Zuccalmaglio-Biographie „Überall und nirgends“ die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Familien Joesten, Bertoldi und Zuccalmaglio dar [v] Marian Heinrich von Zuccalmaglio, der Großvater des Volksliedsammlers , war Anfang der 80 er Jahre des 18.Jh von Düsseldorf nach Mülheim gezogen, wo er dem Kurfürsten als Offizier des bergischen Sicherheits-Corps, einer damaligen Polizeitruppe, diente.

[vi]Aber die Beziehungen zur Rheinschiene waren nicht nur für die gehobenen Schichten von Bedeutung Wenn es für die Homburger Pflasterer einen Schwerpunkt der Arbeitsbeziehungen im Wuppertal und nach Elberfeld gab, der über Jahrzehnte Väter und Söhne, aber auch Töchter saisonweise oder auch mit Wechsel des Lebensmittelpunktes anzog, so lag ein ebensolcher Schwerpunkt für die Waldbröler Maurer und Pflasterer in den bergischen und anderen Städten am Rhein.[vii] Dass dies sich, wie die Oberberg. Geschichte berichtet, für die südlichen Orte im Bergischen, also auch wohl Waldbröl, im 18. Jh noch nicht in den Einwohnerstatistiken der Rheinstädte als Herkunftsort niederschlägt, anders als für Orte im Zentrum Oberbergs, weist darauf hin, dass die Zuwanderung erst später einsetzte. [viii]Über die wachsende Bedeutung der Binnenwanderung seit dem Ende des 18.Jh und ihre Ursachen ist wiederholt publiziert worden. Dass die Waldbröler Pflasterer um die Wende zum 20. Jh u.a. in Köln arbeiteten, verfolgte bereits August Dresbach in seiner Dissertation über „Die soziale und wirtschaftliche Lage der Pflasterer aus dem Kreis Waldbröl“ von 1919.

Eine große Rolle spielten die Erreichbarkeit und die Entfernungen, vor allem in jenen Jahrzehnten, wo es keine Eisenbahnverbindungen zu den Arbeitsorten gab. Lange Fußmärsche von mehr als 1,5 Stunden erlaubten es nur zu Beginn und Ende der Arbeitsmonate, die damit verbundene Strapaze auf sich zu nehmen.

 

Entscheidend für die Erreichbarkeit und Nähe war aber wohl, dass sich die Infrastruktur im 19.Jh deutlich verbesserte. Neue Straßen, Post- und Bahnverbindungen entstanden. Eine regelmäßige Postverbindung bestand schon um die Mitte des 19.Jh. Hans Simon in seiner Darstellung der Postgeschichte von Waldbröl [ix] im Kapitel „Die Personenpost Engelskirchen-Waldbröl“ vermerkt auf Seite 21, dass eine viersitzige Personenpost ab 1851 auf der neuen Straße mittags ab 13 Uhr 30 Engelskirchen in Richtung Waldbröl verließ. Nachdem sie den Postanschluss ab Köln abgewartet hatte, machte sie sich über Denklingen und Hermesdorf nach Waldbröl auf den Weg und setzte , als die Straße Richtung Hamm-Roth fertiggestellt war, ab1858 ihre Fahrt auch weiter durch die Westert fort. Die fahrt dauerte 3 Stunden und 10 Minuten bis Waldbröl und führte am nächsten Tag ab 8Uhr 15 wieder in Gegenrichtung nach Engelskirchen, wo es einen Anschluß nach Köln bzw. Mülheim gab. Einen weiteren Anschluß in Engelskirchen gab es nach Wipperfürth und Elberfeld. Dass vor Entstehen von Eisenbahnlinien manche Maurerkolonnen es vorzogen, den Weg einmal pro Saison zu Fuß zurückzulegen, ist überliefert.

 



[i] Budde Otto, Waldbröl wie es wurde was es ist. Gummersbach 1981,S. 240

[ii] Vgl. K.E.Siepmann, Landrat Oscar Danzier. Gründer des Waldbröler Marktes in „Et chitt Rähn“ 150 Jahre Vieh- und Krammarkt Waldbröl, Nümbrecht 2001, S. 20 ff.

[iii] Vgl Budde , Das Dorf der Väter , S. 69, wo zu lesen ist, dass das Blatt von Rosenkranz nach der ursprünglich geplanten Aufgabe 1855, als Rosenkranz die Konzession des Blattes für Mülheim erhalten hatte, wo er auch das Waldbröler Blatt in Mülheim druckte, auf Bitten Maurers noch einmal nach W. zurückkehrte, ehe die Wahl des Nachfolgers Flamm entschieden war . Emil Hundhausen vermerkt in „Anno Tubak“,, der Drucker Rosenkranz habe am 1.4.1855 die Herausgabe der Zeitung aufgeben wollen, weil ihm die Konzession für ein „Mühlheim-Sieger Kreisblatt“ [Budde II Mühlheim-Sieg?] erteilt worden sei . Auf Wunsch des Landrats (Maurer) habe er das Blatt wieder in Waldbröl gedruckt und „ausgegeben“ (Nov. 58)

[iv] Vgl. Band 11 der „Beiträge zur Oberbergischen Geschichte“ 2014 und darin den Aufsatz „Eine frühe Ackerbauschule in Oberberg“

[v] Else Yeo, Überall und nirgends , S. 16ff.

[vii] Budde vermerkt auf S. 17 seines Buches „Das Dorf der Väter“ , bei Büren, also wohl in der erwähnten Medizin. Topographie von 1826 (10.5.26), sei zu lesen, die ersten Waldbröler Maurer hätten 1822 den Weg ins Niederbergische angetreten. Dass aus dem Oberbergischen bereits früher Maurer in die Städte an Rhein und Ruhr unterwegs waren, ist belegbar.

[viii] Nicht zu verwechseln mit dem fast ausschließlichen Auftreten des Familiennamens Walbröl und Wabroel in der Umgebung von Bonn/ Königswinter (vgl. geogen-Kartierung) , was wohl eher auf die Bedeutung der Nutscheidstraße in den Jahren der Herausbildung von Familiennamen (hier nach Herkunftsort) hinzuweisen scheint.

[ix] Simon Hans, Zur Geschichte der Post im ehemaligen Kreis Waldbröl 1829-1932, Waldbröl 1990